Gar nicht so einfach zu sagen, denn die Angelegenheit erreicht inzwischen ein technisches Niveau, bei dem es für Laien wie mich sehr schwer wird, noch mitzuhalten (eine Kopie des Berichtes GOV/2008/15 gibt es hier).
Der einfachere Teil:
- der Iran installiert weitere Zentrifugen. Neben der seit dem letzten Bericht schon existierenden Einheit mit 3.000 IR-1-Zentrifugen werden vier weitere Einheiten von jeweils der gleichen Größe gebaut. In einer dieser neuen Einheiten waren bereits zwei Kaskaden mit jeweils 164 Zentrifugen in Betrieb. Eine weitere Kaskade in der selben Einheit steht, wurde aber noch nicht mit Uranhexafluorid (UF6) gespeist. (Abs 2)
- seit der letzten Bestandsaufnahme am 12. Dezember letzten Jahres wurden 2300 weitere Kilogramm an UF6 in die Zentrifugen gespeist. Damit erhöht sich die Gesamtmasse des bislang zur Anreicherung nutzten UF6 auf 3970 Kilogramm. (Abs 2)
- der Iran führt Experimente mit den neuen IR-2- wie mit den IR-3-Zentrifugen durch. Bislang handelt es sich aber noch nicht um eine Installation dieser weiterentwickelten Modelle im größeren Umfang. (Abs 3 + 4)
- bei den 14 unangekündigten Inspektionen, die die IAEA seit März 2007 durchgeführt hat, bestätigten die entnommenen Proben, dass Uran nicht höher als bis zu 4 Prozent angereichert wurde. Dies übersteigt nicht den Anreicherungsgrad für die Nutzung des Urans als Brenstoff in zivilen Reaktoren. (Abs 5)
- in den drei der IAEA gemeldeten Forschungsreaktoren resp Anlagen wurde keine Wiederaufbereitung festgestellt. Heisst: der Iran hat (zumindest an diesen drei Orten) nicht heimlich Uran abgezweigt. (Abs 6)
- der Bau des Schwerwasserreaktors in Arak geht weiter und wird von der IAEA via Satellit überwacht (Abs 6)
- der Iran macht Fortschritte bei der Produktion von Brennstoffelementen für den Schwerwasserreaktor, aber es fehlen noch wichtige Teile. (Abs 7)
- seit dem 3 Februar bis zum 23 Mai dieses Jahres hat der Iran in der Anlage in Isfahan rund 11 Tonnen an UF6 produziert. Die Gesamtmenge beträgt damit seit Aufnahme der Produktion im März 2004 320 Tonnen, die alle der Überwachung durch die IAEA unterliegen.
- die IAEA rügt, der Iran habe sie zu spät von anstehenden Umbauten sowie die Installation der neuen Zentfugen IR-2 und IR-3 in der Anreicherungsanlage in Natanz informiert. Als die entsprechenden Teile mit UF6 gespeist wurden, konnten aber die notwendigen Überwachungsmaßnahmen durchgeführt werden. (Abs 11)
- die aus Russland gelieferten Brennstäbe für den Nuklearreaktor in Bushehr befinden sich in dem gleichen Zustand wie bisher: versiegelt von der IAEA. (Abs 12)
- Anfragen der IAEA nach Zugang zu nuklearen Einrichtungen, zu denen der Iran nicht verpflichtet ist, wurden von Teheran abgelehnt. (Abs 13)
Kurz:
- der Iran baut sowohl in Natanz wie in Arak trotz Beschlüssen des UN Sicherheitsrates weiter (wussten wir)
- alles nukleare Material ist vollständig vorhanden und in den bekannten nuklearen Anlagen ist nichts Besorgniserregendes vorgefallen.
- der Iran hält sich in Fragen der Transparenz (bis auf die Ausnahme bei der Installation der neuen Zentrifugen) strikt an die Vorschriften: die IAEA darf sehen, wozu Teheran verpflichtet ist. Sonst nichts.
Soweit ist die Sache noch übersichtlich, aber jetzt wird es kompliziert.
Es geht um die „angeblichen Studien“ zum Bau einer Atombombe sowie um die Rolle des Militärs im iranischen Nuklearprogramm.
Ein Fall ist noch relativ übersichtlich: das Green Salt Projekt, ein alternatives Verfahren zur Gewinnung von UF6. Dazu gibt es zwei Dokumente, die im Anhang des Berichtes aufgelistet werden und auf die mögliche Existenz eines solchen Projektes hinweisen.
Teherans Antwort ist schlicht und einfach: es habe keinen Sinn gemacht, ein solches Projekt zu starten, da man inzwischen über die notwendige Technologie anderweitig (Isfahan) verfüge. (Abs 19).
Dann existieren drei Dokumente zu Test mit hochexplosivem Material. Das sind zum einen Tests mit Spezialzündern wie auch Pläne für den Bau einer Versuchsanlage, in der Versuche mit der Zündung von Atomsprengköpfen gemacht werden könnten.
Irans Antwort: ja, es habe Test mit speziellen Zündern und Zündvorgängen gegeben. Es sei aber um zivile und konventionell-militärische Forschungen gegangen. Die vorgelegten Dokumente erkennt Teheran aber nicht an. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass sie irgendetwas mit dem Iran zu tun hätten. (Abs 20)
Gleich dreizehn Dokumente beziehen sich auf Arbeiten an dem Design eines „missile re-entry vehicle“ = techno speak für einen Sprengkopf, der von einer ballistischen Raketen ins All geschossen wird und dann wieder zur Erde (zum Ziel) zurückkehrt.
Irans Antwort: da diese Dokumente nur in elektronischer Form vorlägen (Computer-Dateien), sei es leicht, sie zu fälschen. Zudem seien sie nicht komplett und wiesen Veränderungen im Aufbau auf, was Zweifel an ihrer Echtheit wecken würde. (Abs 21)
Daneben gibt es zu diesen wie zu einigen anderen Dokumenten noch ein weiteres Problem. Die IAEA hat die Unterlagen von verschiedenen Mitgliedsstaaten erhalten, ist aber nicht autorisiert, Kopien an den Iran weiterzugeben. Teheran lehnt es ab, Stellung zu nehmen, so lange die Kopien nicht ausgehändigt wurden. (Abs 22)
Aus dem Bericht lässt sich leider nicht genau entnehmen, welche Kopien welcher Dokumente nicht ausgehändigt wurden.
Schließlich noch die Zeichnungen zur Formung von hochangereichertem Uran zu einer Halbkugel. Dies ist ein etwas trickreicher Vorgang. Das Uran wird zu einer Kugel „gegossen“, um eine möglichst hohe Sprengwirkung zu erzielen. Teheran ist im Besitz solcher Zeichnung und hat in der Vergangenheit erklärt, diese Papiere seien von pakistanischen Händlern des Khan Netzwerkes, von dem der Iran Baupläne für Zentrifugen gekauft hat, unaufgefordert mitgeliefert worden. Praktisch eine beigelegte Warenprobe.
Die IAEA ist immer noch skeptisch, weil ein Interesse an der Umformung des Urans der bislang eindeutigste Hinweis darauf wäre, dass Teheran an einer Bombe arbeitet.
Dennoch stellt der Bericht fest, Pakistan habe auf Anfrage bestätigt, das ein identisches Dokument dort vorhanden sei (Abs 24). Das bedeutet bislang aber nur, dass die Papiere alles Wahrscheinlichkeit vom Khan Netzwerk stammen (was der Iran behauptet hat), beantwortet aber nicht die Frage, ob sie unaufgefordert mit übergeben worden sind.
Der Bericht stellt zudem fest, dass die IAEA – mit Ausnahme der Zeichnungen zur Uran Umformung – keinerlei Hinweise darauf habe, dass der Iran tatsächlich über Entwürfe für die Fertigung eines nuklearen Sprengkopfes verfüge oder gar mit der Fertigung begonnen habe. (Abs 24) Erst recht sei bislang kein nukleares Material für solche Zwecke eingesetzt worden. (Abs 28)
Es gibt noch mehr offene Fragen. Im Anhang werden elf solcher Fragen aufgelistet, die die IAEA dem Iran in einem Brief vom 9. Mai gestellt hat. Darin geht es um hochrangige Treffen, Beschaffung von suspekten Teilen, unbekannten Projekten, die in Dokumenten auftauchen und einiges mehr.
Auf diesen Fragenkatalog hat der Iran am 23. Mai mit einem 200seitigen Brief geantwortet, der aber zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Berichtes noch nicht ausgewertet werden konnte. (Abs 28) Pressemeldungen, Iran verweigere die Auskunft, treffen also nicht zu.
Mit den bereits vorliegenden Antworten ist die IAEA in großen Teilen nicht zufrieden. Sie verlangt vor allem Belege und vor allem Zugang zu Personen, die in die jeweiligen Themenkomplexe involviert sind. Dies hat der Iran bislang abgelehnt.
Sagte ich kompliziert? Ich hatte untertrieben.